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Narrenbaumstellen in Radolfzell

Narrenbaumstellen"Holzhauer, zünftige Gselle voll Harz, voll Bier, voll Wii, das Narrenbaumholen und-stellen den Namen verlieh."
Nach dem großen schwäbisch-alemannischen Narrentreffen 1950 in Radolfzell formierte sich die lose Gruppe der Holzhauer neu. 1951 gaben sie sich eine Satzung. In diesem Jahr kleideten sich die Holzhauer auch mit einem neuen Narrenhäs ein. Bis auf den heutigen Tag tragen sie im Wald und auf der Straße den braunen Hut, ausgenommen die beiden Förster mit dem grünen Hut, den braunen Wams mit braunem Ledergürtel und dem grünen Kragen. Im Saal jedoch wird ein weißes Hemd und die braune Lederweste getragen. Früher kleidete die Holzhauer das Wams der Fuhrleute und Holzknechte.
Mit dem neuen Häs und neuer Satzung kam 1951 ein Aufschwung in das närrische Treiben der Holzhauer, die sich ab diesem Jahr Holzhauergilde nannte.
Nachdem ein langer, gesunder Narrenbaum im Altbohlwald ohne Bruch gefällt ist, gibt es am wärmenden Lagerfeuer für die Holzhauer und ihre Gäste eine kräftige Suppe mit Wurst und Wecken. Auch der Wein aus dem Tragefässle fehlt nie. Seit 1951 sind die damals neu geschaffene Holzhauerfahne und das Tragefässle bei allen wichtigen Holzhauerveranstaltungen mit dabei.
Gegen Mittag ziehen die Holzhauer mit ihrem Narrenbaum ins Städtle, um den Zellern zu zeigen: "Es goht degege." Dabei wird das Holzhauerbrettle angeboten; jedes Jahr zeigt es ein anderes Motiv. An diesem "Mittwoch vor em Schmutzige" erobern die Holzhauer im Städtle Wirtschaft um Wirtschaft, Narrenseele um Narrenseele. Fasnetstimmung herrscht nun in Gassen und Stuben. Bei Einbruch der Dunkelheit wird der Narrenbaum an einen sicheren Ort gefahren, damit ihm kein Unheil widerfährt.
Am Nachmittag des "Schmutzigen Dunschtig" treffen sich die Narren mit "Narrensome" (Kinder) in der Untertorstraße/Schwertstraße zum Narrenbaumumzug. Früher stand dort das Gasthaus Schwert. Der "Narrensome" zieht dann den Narrenbaum durch die Altstadt auf den Marktplatz. Die Kinder erhalten für die anstrengende Gespanntätigkeit im Garten vom Gasthaus "Kreuz" Wurst und Wecken von den Holzhauern.
Mit Böcken, Scheren, Stichern, viel Geschrei und auch Disziplin mühen sich die Holzhauer unter Leitung des "Försters Stadt", den meist über 30 Meter langen Narrenbaum aufzustellen. Die kleinen und großen Narren warten mit Spannung, feuern die Holzhauer mit " Hau ruck" an, bis dann das erlösende "Jetzt stoht de Narrebom!" gerufen werden kann.
Früher wurde der Narrenbaum an einem Tag, nämlich am Schmutzige Dunschtig, im Wald geholt und in der Stadt aufgestellt. Der Narrenbaum steht als Stammbaum aller Narren, als Symbol unserer Fasnet. Es wird damit angezeigt, jetzt ist die Zeit für urwüchsigen Humor und Frohsinn. Die Narren haben die Macht in der Stadt übernommen.

Für ihre letzte Aufgabe am Narrenbaum müssen die Holzhauer am Abend des Fasnet-Dienstag nochmals kräftig Hand anlegen. Mit einer großen Trauerversammlung von Narren begibt sich der Oberholzer mit seinen Holzhauern in Prozessionsform zum Narrenbaum. Unter schmerzlicher Trauer und lautem Wehklagen der Narren fällen die Holzhauer zielgerecht den Narrenbaum auf dem Marktplatz. Der Baum wird dann in transportfähige Stücke zersägt und abtransportiert. Der Oberholzer, eskortiert von seinen Holzhauern, macht anschließend dem Präsidenten der Narrizella Ratoldi Vollzugsmeldung. Gleichzeitig übergibt er dem Präsidenten, der sich zu dieser Zeit auf dem Schlussrummel vergnügt, den "Dolden des Narrenbaumes" als Beweis für das gefällte Hoheitszeichen und insbesondere für das Nahe Ende der Fasnet. Eine völlig in Vergessenheit geratene Kuriosität: früher holten die Radolfzeller den Narrenbaum am Aschermittwoch unter Musik und Gesang von seinem Standort ab und warfen ihn mit dem Lied in den See: "Faßnacht ist verschwunden, Faßnacht hat ein Loch gefunden."

Alljährlich beweisen die Holzhauer an der Fasnet, dass Sie nicht nur schwere Arbeit leisten können, sondern auch zündende närrische Ideen haben. So machen sie am Schmutzige Dunschtig echte "Stroßefasnet" zusammen mit ihrer eigenen Musikkapelle, die sogenannte Holzhauermusik. Nach einem bestimmtem Motto wird ein Fasnetswagen gebaut. Die Holzhauer kostümieren sich entsprechend dazu. Die Bevölkerung ist jedes Jahr aufs Neue gespannt, was wohl das Thema der Holzhauer sein wird. Auf dem Marktplatz, vor dem Rathaus und an weiteren Stellen wird dann das närrische Spektakel aufgeführt. Mit diesem Motto nimmt dann die Holzhauergilde auch am Radolfzeller Fasnetumzug am Sonntag teil.

Das Familienfest der Holzhauer ist im Laufe des Holzhauerjahres der gesellschaftliche Höhepunkt. Im feierlichen Rahmen wird den Holzhauerfrauen Dank dafür abgestattet, dass diese während der vielen Holzhauerverpflichtungen auf ihre Männer verzichten müssen. Höhepunkte während des Familienfestes sind meist die Holzhauer-Gesellenprüfungen. Unter üppigem Zeremoniell haben die Lehrlinge den theoretischen und praktischen Teil der Prüfung vor einer fast allwissenden, allen närrischen Künsten zugewandten Prüfungskommission zu bestehen. Die Prüfung wird erschwert durch meistens weingeisthaltige Zwischenergebnisse. Die vorgelegten Gesellenstücke stehen jedoch immer für gute Form und sicheren Stil.
Es ist schwer, Holzhauer zu werden. Zunächst muss der Bewerber in einer Mitgliederversammlung mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der anwesenden Holzhauer in die Gilde aufgenommen werden. In der zweijährigen Lehrzeit müssen die gestellten Aufgaben zufriedenstellend erfüllt werden. Dem Lehrbub steht hierzu ein Pate begleitend bei, der mit Spaß und Freude ausbildet, damit die närrische Tradition der urwüchsigen alemannischen Fasnet in Radolfzell fortgesetzt wird.

skol, 8.2.2001

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