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Die Ungunst der auswärtigen Geburt
Peter Haller

Nein, hier gebürtig bin ich nicht, und ausserdem bin ich Protestant und dazu auch noch aus dem Schwäbischen. Schlimme Makel haften mir also an, hier im alemannischen Süden. Hat man es mit dem Prädikat Reing'schmeckter schon im Alltag nicht immer ganz leicht, so sind die Hürden für reing'schmeckte Narren mancherorts fast unüberwindbar. Denn, es scheint so, zumindest wissen dies die Narrenregeln, dass jedem hier Gebürtigen das Narrenblut schon von Natur aus und von Geburt an in den Adern fliesst, aber eben nur dem hier Gebürtigen. Wohl dem, der hier gebürtig ist. Ich habe leider das Pech, nicht hier gebürtig zu sein, da hat es mein Sohn doch sehr viel besser getroffen. Der ist nämlich hier gebürtig, weil ich nicht mehr dort lebe, wo ich gebürtig bin. Dort im protestantischen Schwabendorf gibt es inzwischen auch eine Narrenzunft, mit Holzmasken, aber ohne Tradition. Aufgewachsen bin ich allerdings 3 km weiter in einem echten Narrenort, einer ehemals vorderösterreichisch-katholischen Exklave. Auch in diesem Ort gibt es heute eine Vielzahl von Holzmaskenkreationen aus den letzten Jahrzehnten, doch die dortige traditionelle Dorffasnet sah früher ganz anders aus: beherrschend waren die mit einfachen Mitteln (Quelle: Altkeider) vermummte "Schlampe" und der "Clown", eine Art Bajazz mit Stoffmaske vor dem Gesicht. Urwüchsig war die Fasnet bis in die 60er Jahre hinein, aber auch recht derb ging es damals bisweilen zu.

Auch mein Bruder ist in diesem närrischen Umfeld groß geworden, doch während ich Jahr für Jahr vom Fasnachtsfieber befallen werde, hat er merkwürdigerweise mit der Narretei gar nichts am Hut. Ob das mit dem Narrenblut von Geburt an in Abhängigkeit vom Ort der Geburt also doch nicht so ganz stimmt? Ob es der eine eben hat und der andere nicht?

Jedenfalls ist es doch so, dass es auch unter den hier Gebürtigen rechte Fasnachtsmuffel und unter den hier gebürtigen Narren sicherlich welche gibt, die nur ins Häs schlüpfen, weil das gerade "in" ist oder weil für sie die Fasnacht nur eine von vielerlei Möglichkeiten im Jahreslauf ist, um "die Sau raus zu lassen". Brauchtum? Brauchtum ist, wenn ich tue, was ich brauche, heisst dann das Motto, anstatt das zu pflegen, was seit langer Zeit Brauch ist. In unserer schnelllebigen Zeit macht der Sinnverlust auch vor den Narren nicht Halt.

Fasnacht sollte eben für alle da sein, für alle, die sie mögen, für Schwaben und Alemannen, für Reing'schmeckte und hier Gebürtige. Letztlich geht es doch nur darum, dieses liebenswerte, überkommene Brauchtum zu pflegen und an unsere Kinder weiter zu geben, gegen alle Versuche, die Fasnacht zu verwässern oder ihr das Wasser ganz abzugraben. In diesem Sinne: Juhu!

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