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Eine Fastnacht mitten in der Fastenzeit von Günther Schenk Das Dutzend Zwerge in Ermatingen, dem Dorf am schweizerischen Bodensee, hat schwer zu schleppen. Am Gropp, dem graubraunen Monster auf Rädern. „Majestät“ nennen sie den Riesenfisch mit der Krone auf dem Kopf. Nur alle drei Jahre zieht er über Land. Begleitet von mehr als tausend Narren, die ihm zu Ehren einen großen Umzug organisieren. Eine Mischung aus Fischerfest und Frühlingsfeier, eine Fastnacht in der Fastenzeit, die höchsten kirchlichen Segen hat. Denn gleich zwei Päpste, erzählt man am Untersee, hätten die Groppenfastnacht gestiftet, wie das Fest in Ermatingen offiziell heißt.
Fastnachts- Fischerfest Der Gropp ist das Aushängeschild des Dorfes. Ein schuppenloser Raubfisch mit Stachelkopf. Koppe oder Dolm heißt er anderswo. Klares Wasser, erzählt ein Bodensee-Fischer, sei ihm am liebsten. Heute freilich können sie wenig mit ihm anfangen. Vorbei sind die Zeiten, als sie ihn zu Zehntausenden aus dem Untersee zogen, mit Salz bestreuten und zur Groppenfastnacht in großen Pfannen servierten, fein gebraten als Delikatesse. Vor allem seiner vielen Knochen und Gräten wegen ist der Raubfisch vom Speisezettel weitgehend verschwunden. Die Netze von einst schleppen Ermatingens Fischer zur Groppenfastnacht aber immer noch gern durchs Örtchen. Die stummen Zeugen harter Arbeit auf dem Untersee, die Schnee und Eis im Winter zusätzlich erschwerten. Da war jeder froh, wenn der Frühling nahte. So feierten die Fischer auch als erste im Dorf das Ende des Winters, verbrannten die kalte Jahreszeit – wie andernorts auch – in Gestalt einer Strohpuppe, deren Skelett sie schließlich im See versenkten. Heute zeigen Ermatingens Fischer zum Fest stolz ihre Beute. Kapitale Hechte meist, die sie an langen Stangen dem Umzug voraustragen. Wie immer in zünftigen Klamotten, in hohen Stiefeln, Lendenschurz und breiten Lederhüten, die Wind und Wetter trotzen. Der Gropp zieht an Schon Ende des 19. Jahrhunderts waren das Dörfchen und seine Fastnacht gegenüber der Insel Reichenau Ziel der Fremden. „Wie gewöhnlich“, notierte eine Zeitschrift anno 1898, „hatte das in der ganzen Seegegend bekannte Volksfest Tausende von Zuschauern aus nah und fern herbeigezogen, die sich erst am späten Abend mit Extrazügen und Dampfern auf den Heimweg machten“. Auch heute sind es Zehntausende, die aus der Ostschweiz und Südbaden nach Ermatingen kommen, um dem großen Zug Geleit zu geben, der sich sonntagmittags gleich zweimal von der Schiffslände am See Richtung Oberdorf schlängelt.
Forschen Reporter nach den Ursprüngen des Festes, berufen sich die Ermatinger gleich auf zwei Päpste. Auf Johannes und Martin, die das Konstanzer Konzil Anfang des 15. Jahrhunderts an den Bodensee geführt hatte, wo drei Gottesmänner das höchste Kirchenamt für sich reklamierten. Kronzeuge der Dorfchronisten ist ein Konzils-Schreiber, der von der überstürzten Abreise des selbst ernannten Papstes Johannes aus Konstanz berichtet. Seine Flucht habe ihn schließlich ins Ermatinger Pfarrhaus geführt, wo ihm der Hausherr nicht nur die besten Weine der Gegend servierte, sondern auch ein paar Groppen. Die schmeckten dem Gast so gut, weiß man heute im Dorf, dass er den Ermatingern die Erlaubnis gegeben habe, am Sonntag Laetare in Erinnerung an seinen Besuch ein Fest zu feiern. Eine andere Version sieht Papst Martin als Stifter des Festes, der anno 1418 am Untersee Station gemacht hatte, wo die Fischer ihn reich bewirteten. Zum Dank habe er ihnen erlaubt, mitten in der Fastenzeit zu feiern. Solche Erzählungen sind freilich mehr lokalem Stolz entsprungen als geschichtlicher Wahrheit. Die gründet eher in den Laetare-Feiern der Fischer, die wie die Narren im Rheinland am dritten Sonntag vor Ostern noch einmal richtig auf den Putz hauten. Und so wie aus den Laetare-Umzügen vielerorts Frühlingsfeste wurden, ergänzten auch die Ermatinger ihre Fischerfastnacht mit einem Frühlingszug. Mit Wagen und Gruppen, die heute den Schluss des großen Umzuges am vierten Fastensonntag bilden.
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