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Die Narren springen aus den Bildern ...
Der anonyme Radolfzeller Künstler Schlegele-Beck

von Monika Bönisch

Die Figur des Schlegele-Beck verkörpert den klassischen Narren – mit rot-gelbem Gewand, Narrenmal auf der Stirn, mit Schellen, Eselsohren und der Marotte, dem Sinnbild für die törichte Selbstverliebtheit. Mit diesem neu gestalteten Häs tauchte er an der Fasnacht 1996 erstmals in Radolfzell zwischen Kappedeschle und Klepperle-Narro, Schnitzwibern und Hansele auf. Mit List und profundem Wissen um die Fasnet – was Wunder, er studiert Volkskunde – verschaffte er sich mit seiner achtköpfigen Fasnetsgruppe Zugang zum Narrenolymp – er wurde in die Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte aufgenommen. Doch weit bedeutsamer als dieses Narrenstück ist sein künstlerisches Schaffen. Doch keiner weiß, wer sich hinter der Larve und dem künstlerischen Pseudonym des Schlegele-Beck verbirgt ...


Villinger Narro, 2002, Öl/Lw.
Der Schlegelebeck mit zwei seiner Höllteufel

Ein mächtiges Gefühl, gute Ideen und viel Talent
Mit der Malerei löst der Beck gewissermaßen eine Schuld ein: „Da ich mich auch wissenschaftlich mit dem Thema befasse und dadurch eher zur Entzauberung der Fasnacht beitrage, besteht für mich innerhalb der Malerei die Möglichkeit, wieder zu verzaubern, das heißt, die faszinierende Seite dieses Brauchs fröhliche Urständ feiern zu lassen.“ Wie jeder schwäbisch-alemannische Narr weiß er, dass die Fasnacht eine hochemotionale Angelegenheit ist, die sich kaum in Worte fassen lässt. Beim Zeichnen und Malen dagegen gelinge es ihm, dem Gefühl „Fasnacht“ Ausdruck zu verleihen.
In den Bildern des Beck fasziniert das Unbekannte und Unheimliche: der riesige, bedrohliche Riedlinger Gole, das Elzacher Totegfrieß, das an die Sterblichkeit des Menschen erinnert, nächtliche Geisterszenen, die eine geheimnisvolle, mystische Atmosphäre erzeugen. Sie sind aber auch Dokumente fasnächtlicher Bräuche, zeigen Kurioses und Tragisches und manchmal den verschmitzten Witz des Künstlers, wie das Ölgemälde, auf dem der „Gewissenhafte Narrenbaumwächter“ sein Gewehr verkehrt herum trägt. Und sie geben schon mal eine Spitze auf fasnachts-zünftige Eitelkeiten ab: In „Ein schöner Traum“ bannt der Beck die Oberndorfer, Elzacher, Überlinger, Rottweiler und Villinger Narren zusammen mit dem Hansele und dem Klepperle-Narro von Radolfzell auf ein Bild. So beschwört er ein „Narrentreffen“ in Radolfzell herauf, das es seit 1958 in der Realität nicht mehr gegeben hat. Denn im Laufe der Fünfzigerjahre erklärten die Zünfte der fünf erstgenannten Orte ihren Austritt aus der Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte und kamen fortan zu keinem Narrentreffen mehr. Aufs Korn nimmt der Beck auch den Disput zwischen den katholischen, sich als „althistorisch“ verstehenden Villingern und den protestantischen Schwenningern um die authentische, die „rechte Fasnet“. Auf dem Bild „Villingen-Schwenningen“ soll’s die Friedenstaube über den Narren der beiden Stadtteile richten.
Es rührt den Maler an, wenn die von ihm gezeichneten Narrengestalten lebendig werden, wenn sie ihm auf der Fasnacht leibhaftig begegnen – wie vergangenes Jahr beim Rottweiler Narrentag: „Die Schuttige, die bei Nacht mit Fackeln durch das Schwarze Tor liefen, das Totegfrieß, das auf mich zukam und mich umarmte, der Guller und das Brieler Rössle, die an mir vorbeigaloppierten ...“ Wer sich das ganze Jahr hindurch so intensiv mit Narrengestalten beschäftigt wie der Beck, der fühlt sich ihnen stark verbunden: „Jedes Narrenmal, jede Falte im Gesicht der Larve ist mir vertraut. Es kommt mir manchmal vor, als sprängen die Narren in der Fasnachtszeit aus meinen Bildern auf die Straße. Ich fange sie aber bald wieder ein ...“

Fasnachtsverbrennung, 2001, Öl/Lw.
Fransenkleidle und Gschell, 2003


Fotografierte Fantasie und expressiver Pinselstrich
Als Kind mit der Fasnacht, mit Narren und Narrenbildern aufzuwachsen, das scheint zu prägen. Für den Schlegele-Beck jedenfalls ist es selbstverständlich, dass die Fasnacht zum Thema seiner Kunst wurde. Er kann sich in bester Gesellschaft wähnen: von Lothar Rohrer etwa, der lange in Radolfzell lebte und dessen Werke im Narrenschopf Bad Dürrheim und im Fasnachtsmuseum Schloss Langenstein zu sehen sind; von Bruno Epple, dem Schöpfer zahlreicher Narrenverse und Gemälde; von Erwin Krumm, dem Elzacher Narrenkünstler, und von Lucian Reich. Und selbst Holbein d. J., Breughel, Watteau, Goya, Picasso und Dix haben sich künstlerisch mit Fasnacht, Karneval oder der Figur des Narren auseinandergesetzt. Für den Schlegele-Beck haben besonders die Bilder aus früheren Zeiten eine wichtige Funktion: „Sie sind Belege dafür, wie die Fasnacht in der Vergangenheit ausgesehen hat.“
Der Radolfzeller Maler liebt die Vielfalt. Das zeigen seine Bilder und das zeigen die von ihm angewandten Techniken: Linolschnitt, Aquarell, Zeichnung, Lithografie und am liebsten Öl. „Mit der klassischen Technik der Ölmalerei lässt sich die Fantasie am besten ‚fotografieren’“ – was übrigens auch die vom Schlegele-Beck entworfenen Häser zeigen: auf den Rückseiten sind Ölgemälde vom Beck aufgenäht.
Der Künstler hat herausgefunden, dass nicht jede Fasnachtsdarstellung im selben Stil malbar ist. „Einen Villinger Narro mit expressivem Pinselstrich zu malen, nimmt ihm die majestätische Würde. Andersherum kann eine Hexe nicht in einer glatten, exakten Lasurtechnik gemalt werden, weil sie dadurch ihren wilden Ausdruck verliert.“
Außerdem sei es interessanter, „wie ein Alchimist immer wieder neue Zauberformeln zu entwickeln“. Derzeit ist es die Malerei der italienischen Renaissance, die den unbekannten Vielseitigen fesselt. „Aus dem Rückschritt in die Historie können sich wieder völlig neue Dinge ergeben, die letztendlich zu einem Fortschreiten führen.“ Und was kommt dabei heraus? Zum Beispiel Tafelbilder unter Verwendung alter Malzutaten wie venezianisches Terpentin oder portugiesisches Balsamöl. Man darf gespannt sein ...

Kunst für große und kleine Fasnachtsfreunde
Die intensive Auseinandersetzung mit Fasnachtsbräuchen und die Teilnahme an der Straßenfasnacht sind die Ideenlieferanten des Künstlers. Seit 1999 haben sich die Menschen an über hundert Bildern des Schlegele-Beck erfreuen können, im vergangenen Jahr begeisterte vor allem eine edle Lithografie-Serie in Kleinstauflage mit sieben dunkelroten Porträts von Rottweiler Narren. Der Vielgelobte sieht seinen Erfolg gelassen und möchte denen, die ihn mit Lorbeeren überschütten, zurufen: „Genug der Ehre, ich stehe noch ganz am Anfang. Gebt mir noch zehn Jahre Zeit um mich weiterzuentwickeln.“
Eines seiner neuesten Werke hat der Maler zusammen mit der Radolfzeller Narrenzunft herausgegeben, ein Büchlein für ganz junge Narren und Fasnachtsfreunde: „Schlegele-Beck’s Malbuch der Narrizella Ratoldi“. Denn der Beck hat es den Kindern und die Kinder haben es dem Beck angetan. Vermutlich warten seine kleinen Fans nun noch ungeduldiger als sonst auf die Fasnacht, auf das Malbuch und auf den Schlegele-Beck.


I de Höllschtroß Nummero sechs,
do wohnt de Schlegele-Beck.

Der schtreckt sin Arsch zum Fenschter nauß,
mer mont es wär en Weck.

Es isch kon Weck, es isch kon Weck,
es isch de Arsch vum Schlegele-Beck.

Do kunnt e Fraule glaufe,
und will des Weckle kaufe.

Do seet de Schlegele-Beck:
„Min Arsch isch doch kon Weck!“

Es isch kon Weck, es isch kon Weck,
es isch de Arsch vum Schlegele-Beck.

Radolfzeller Fasnetsspruch



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