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Lebendiges Holz
Zu Besuch bei Maskenschnitzer Günther Wetzel in Bad Saulgau von Bernd Schellhammer Günther Wetzel ist 46 und hat in der Kaiserstrasse in Bad Saulgau eine kleine Werkstatt. Was er da so herstellt, das sind Fasnetsmasken aus Holz. Doch „herstellen“ ist eigentlich nicht der richtige Ausdruck. Denn Wetzel kann mehr: Er verleiht seinen Masken Charakter. Der zwölfjährige Günther Wetzel war immer schnell mit seinen Hausaufgaben fertig. Denn nach der leidigen Pflicht folgte das Vergnügen: Er besuchte den Holzbildhauer Hans Steiner in dessen Werkstatt in Bad Saulgau. Der 80-Jährige fertigte vor allem Krippenfiguren und Madonnen, ab und zu auch eine Maske. Wetzel schaute zu, was aus einem groben Stück Holz geschnitzt wurde, und traute sich bald, Stecheisen und Holzhammer selbst in die Hand zu nehmen, um einem Stück Holz eine Form zu geben. Der vom Maskenschnitzen begeisterte Schüler nutzte in der Werkstatt jede Gelegenheit, um zu schnitzen. Eines Nachmittags brauchte Bildhauer Steiner eine Pause und zog sich auf sein Sofa zurück. Inzwischen durfte der kleine Günther eine Stunde lang mit dem Schnitzmesser die Nase einer Maske bearbeiten – allerdings vorsichtig und ohne viel daran zu verändern. Der Junge legte los. Als der Meister von seiner Mittagsruhe zurück in die Werkstatt kam, entdeckte er eine fertig geschnitzte Nase, an der nichts mehr herumzufeilen war. „Mensch Kerle, du kannscht des“, sagte der Senior immer wieder. Er lobte den kleinen Schnitzkünstler und spornte ihn an, in dieser Richtung weiterzumachen. So nahm Günther seinen ersten Holzklotz mit nach Hause, um im Keller und in der Werkstatt von Herrn Steiner unter Anleitung seine erste Maske, den Doraus-Schreier zu schnitzen. Das Erstlingswerk geriet zwar etwas zu groß und die Zunftoberen in Bad Saulgau mochten das Teil nicht haben; doch auch sie erkannten das Talent des jungen Wetzel und schickten ihn in die Werkstatt des Zunftschnitzers Leeuw. Dort lernte er die nötigen Kniffe – und die Zunft lehnte fortan nicht mehr ab: Sie kaufte die in dieser Werkstatt von Wetzel geschnitzten Masken. Das Berufsziel des Jungen war klar, natürlich wollte er Maskenschnitzer werden.
Mit 18 Jahren begann Günther Wetzel mit einer Lehre zum Schriftsetzer und Grafiker. Viele Jahre arbeitete er als Schriftsetzer in einer Druckerei in Bad Saulgau. Das Hobby, die Maskenschnitzerei, musste bis nach Feierabend warten. „Ich trank erst einmal einen Kübel Kaffee und machte mich dann in die provisorische Werkstatt eines Gewölbekellers, wo es im Winter sehr kalt war und nur ein kleiner Ofen für Wärme sorgte“, erzählt Wetzel. Nicht selten schnitzte er bis in die frühen Morgenstunden. Viel Zeit zum Schlafen blieb da nicht, manchmal waren es nur drei bis vier Stunden. Fünfzehn lange Jahre führte Wetzel dieses nervenaufreibende „Doppelleben“. Dann entschied er sich endgültig dafür, das Maskenschnitzen als seine Berufung zu sehen. Mit 35 Jahren hat er sich selbstständig gemacht und sich als Profi ganz der Maskenschnitzerei verschrieben. Er eröffnete einen Laden, den seine Frau Monika führt und in dem die Produkte aus der Werkstatt verkauft werden: Sammlermasken, Broschenmasken, Narrengeschenke sowie Närrisches Zubehör. Günther Wetzel nennt sich Freischaffender Künstler und das trifft den Nagel auf den Kopf: Er braucht handwerkliches Geschick für seine Masken, er braucht aber auch sehr viel Fantasie und vor allem das nötige Feeling. Denn jede Maske hat ihren eigenen Charakter, und wenn das Sprichwort vom Apfel, der nicht weit vom Stamm fällt, stimmt, dann verkörpert jede Maske auch ein bisschen von der Seele des Günther Wetzel. Inzwischen sind es weit über fünfzig Zünfte, für die Wetzel Masken schnitzt. 1980 fertigte er seine erste Larve als Profi für die Narrenzunft aus Riedlingen. Heute kommt seine Kundschaft aus ganz Oberschwaben, aus dem Bayerischen, vom Bodensee und sogar aus der Landeshauptstadt Stuttgart. Oft muss eine neue Maske erst entworfen werden, doch nicht alle Ideen der Zünfte können umgesetzt werden, denn schließlich muss die Maske auch tragbar sein. Besonders wichtig sind die Augen. „So ein Maskenträger sieht sowieso kaum etwas und wenn der Augenabstand nicht stimmt, dann läuft er praktisch blind durch die Gegend. 5,5 bis 6,5 Zentimeter müssen die Gucklöcher deshalb voneinander entfernt sein, dann klappt’s. W enn der erste Entwurf aus Fimo ein Treffer ist, dann beginnt Wetzel mit dem Schnitzen. Die Rohlinge sind aus Lindenholz. Oft werden drei bis vier Schichten verleimt, dann geht die Arbeit am Detail los und die ist nicht einfach. „Keine Maske darf identisch sein“, sagt Wetzel, der allein für die Vorderseite sechs bis zehn Stunden braucht. Die Innenseite ist zwar für die Zuschauer nicht interessant, doch umso mehr für die Maskenträger: Da darf nichts einengen und drücken, sonst macht’s keinen Spaß. „Die Polsterung verfeinert jeder Narr selber, ganz so, wie er es braucht“, sagt Wetzel. Dieses Problem gibt’s bei den Miniaturmasken nicht, die ebenfalls im Hause Wetzel entstehen. Die begehrten Sammlerobjekte werden aus Gießharz hergestellt und dann von Monika Wetzel ganz individuell bemalt. „Auch hier ist jedes Teil ein Unikat“, sagt Günther Wetzel stolz und taucht den Pinsel in den dunklen Lack, mit dem er einer Riedhutzel den typischen Teint verpasst. Seit jenen Tagen, als der Zwölfjährige in der Werkstatt von Hans Steiner das Maskenschnitzen für sich entdeckte, hat Wetzel an die 5000 Masken angefertigt – irgendwann hört man auf zu zählen! Für Günther Wetzel ist das ganze Jahr Fasnet, Entzugserscheinungen kennt er nicht und einen anderen Beruf kann er sich auch nicht vorstellen. „Hier bei meinen Masken bin ich glücklich“, sagt er und schwingt das Schnitzmesser. www.wetzel-masken.de |
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