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Fasnächtliches Rumäckera in Jettingen
Ein bayerisch-schwäbischer Fasnetsbrauch von Eugen Müller Das alljährliche „Rumäckera“ am Fasnachtsdienstag in Jettingen an der Iller ist die Erinnerung an die Notzeiten der Jahre 1632 bis 1635, also während des Dreißigjährigen Krieges. Die Anfänge dieses Brauches liegen in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts.
Nur unbescholtene junge Männer Als Zeichen für den Wiederaufbau nach totaler Zerstörung durch den Dreißigjährigen Krieg pflügen die Bauern mit dem Holzpflug und dem Gaul auf den Straßen um die Kirche. Bereits zu Beginn der närrischen Zeit am 11.11. werden von der gesamten Bevölkerung die drei so genannten „Fähnriche“ sowie der „Hanswurscht“ gewählt. Als Fähnriche kommen nach der Ortschronik nur junge, unbescholtene Burschen aus Jettingen in Frage. Jeder Gewählte darf diese Funktion nur einmal ausüben, während der Hanswurscht mehrmals gewählt werden kann. In den Anfangsjahren des Fasnachtstreibens trugen die Fähnriche noch die alte schwäbische Tracht, welche jedoch mit der Zeit verschwand. Seither tragen sie Hochzeitsfräcke sowie mit Rosmarin und Backwerk geschmückte Zylinder. Sie haben weiße Schürzen und blaurote Schärpen umgebunden. Der Hanswurscht dagegen steckt in einem weiß-roten Kasperlegewand.
Lautstarke Einladung zur Fasnacht Am Fasnachtssonntag erfolgt zur Mittagszeit die feierliche Fahnenübergabe. Hierbei überreicht der Bürgermeister die im Rathaus verwahrte alte Fahne an die Fähnriche und den Hanswurscht. Die ursprüngliche alte Fahne wurde 1822 den Fähnrichen in einem Wirtshaus entwendet und ist seitdem nicht wieder aufgefunden worden. Die darauf folgende Fahne wurde 130 Jahre lang benutzt. An die Fahnenübergabe schließt sich das Pfändern an. Dabei ziehen die Fähnriche und der Hanswurscht mit der Fahne durch die Straßen und laden durch Fahnenschwenken und Trommelwirbel die Einwohner zur Jettinger Fasnacht ein. Am Abend des Fasnachtssonntags wird das noch bis Aschermittwoch andauernde Pfändern unterbrochen und die Fähnriche eröffnen mit ihren Bräuten den so genannten Fähnrichsball. Während am Vormittag des Fasnachtsdienstags das Pfändern langsam dem Ende zugeht, bereitet sich der wilde Zug auf seinen großen Auftritt vor, das „Rumäckera“. Dieses Schauspiel ist der älteste Teil der Jettinger Fasnacht.
Erinnerung an Elend und Neubeginn Beim „Rumäckera“ wird von drei Bauern in alter schwäbischer Tracht ein von einem Schimmel gezogener alter Holzpflug durch die Straßen der Stadt geführt. In Jettingen leitet man die Geschichte des „Rumäckera“ von einer lokalen Sage ab: Es soll an die beabsichtigte Ausrottung des Marktfleckens Jettingen durch den Dreißigjährigen Krieg und an die Pest erinnern, aber auch gleichzeitig die Neugründung durch die drei überlebenden Brüder der Familie Burkhard darstellen, die mit einem einzigen verbliebenen Pferd, einem Grauschimmel, die zerstörten Felder und Äcker wieder neu bestellt haben. Diesem Gespann folgt dann der „Kürassbuckel“, der gebunden an eine Ackerschleife, dieses letztlich überwundene Elend jener Zeit, die Pest, versinnbildlichen soll. Die Chronik berichtet, dass der „Kürassbuckel“ in den Jahren nach 1950 noch mit Straßenkot beworfen wurde. Dieser Brauch lässt sich schon seit den ersten Jahren des 18. Jahrhunderts belegen, wird aber heute in dieser Form nicht mehr praktiziert. In der Tat erinnert das „Rumäckera“ an den Pflugumzug in Fridingen und an das Männersäen in Trillfingen bei Haigerloch. Bei Letzterem werden die ledigen Mädchen vor eine Egge gespannt. Ihnen voran geht der Ehemann, der zuletzt vor den Traualtar trat, als Sämann. Dieser heute humoristisch verstandene Brauch war einst als Rügebrauch eine Verhöhnung der ledigen Frauen.
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