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Alter Wolfacher Mi-parti-Hansel entdeckt
Frank Schrader In der alten Narrenstadt Wolfach gehörte bis zum Ersten Weltkrieg ein Hanseltyp in den Farben Gelb und Rot zu den beliebtesten Narrenfiguren. Das Häs dieses Hansels ist ein „Mi-parti“‚ also ein farblich meist vertikal geteiltes Kleid. Das Mi-parti entstand nach dem 11. Jahrhundert unter dem Einfluss byzantinischer Mode, die sich durch eine starke Farbigkeit auszeichnet. Zunächst trugen es vor allem die Bediensteten, die mit der Farbgebung das Abhängigkeitsverhältnis von ihrem Dienstherrn zeigten. Im 15. Jahrhundert entwickelte sich daraus eine Farbsymbolik, mit der auch die Gemütsverfassung des Trägers ausgedrückt wurde. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts verschwand das Mi-parti aus der Mode, erhielt sich aber bei den Narrenkostümen.
Der Wolfacher Heimatforscher Josef Krausbeck (1909–2000) überlieferte die Geschichte, dass die mit ihm eng befreundete Familie Sandfuchs den Mi-parti-Hansel eines Tages an einen Bekannten im benachbarten Hausach verlieh. Da sich dort kaum noch Spuren alten fastnachtlichen Brauchtums fanden, wurde das Sandfuchs’sche Häs als Vorbild genommen für den heutigen Hausacher Hansel und mit einer Larve nach einem alten Vorbild sowie einer neuen Kopfbedeckung kombiniert. Es ist zu vermuten, dass dies erst nach der 1927 erfolgten Gründung der Hausacher Narrenzunft geschah. Zwar gibt es einzelne Hinweise darauf, dass es bereits um 1900 in Hausach einen Hansel gab, doch sind über dessen Aussehen keine Details bekannt. Als diese Entstehungsgeschichte im Vorfeld der Fasnet 2004 durch einen Zeitungsbericht bekannt wurde, versuchte der Hausacher Narrenrat José F. A. Oliver sogleich bei der Schlüsselübergabe am Schmutzige Dunnschtig in Hausach in einer gereimten Entgegnung, dies zu widerlegen, doch konnte er bis heute keine Dokumente vorlegen, die seine These unterstützen. Da Gelb unter allen Farben die auffallendste ist, fand es in der Kleidertracht bei jenen Verwendung, die auffallen sollen oder wollen. Im Mittelalter war es aufgrund seiner üblen Vorbedeutung (Neid) Juden, Dirnen und Ketzern als Schandfarbe vorgeschrieben. In Christoph Martin Wielands „Geschichte des Agathon“ von 1766 hat der „Hans Wurst“ einen Wams und gelbe Hosen an. In der Farbensprache des Minnelebens stand Gelb für „minnigliches Glück“; in der Kunst übernahm es die Bedeutung von Gold, das im christlichen Sinne die Ewigkeit und das göttliche Licht symbolisiert. Im 18. Jahrhundert galt Gelb als „nächste Farbe am Licht“, die „eine heitere, muntere, sanft reizende Eigenschaft besitzt“ und das „Gemüth erheitert“ (Goethe), und sich deshalb zu jener Zeit auch in ehrbaren Kreisen als Kleiderfarbe verbreitete: in Goethes „Werther“ trägt der Titelheld einen blauen Frack und eine gelbe Weste, die durch den großen Erfolg des 1775 erschienenen Romans als „Werther-Mode“ sehr beliebt wurden. In Goethes „Wilhelm Meisters Lehrjahre“ trägt eine Marionette, die Jonathan, den Geliebten des biblischen Königs David, darstellt, ein „gelb und rotes Kleid“. Rot gilt als Farbe der Leidenschaft und Sinnlichkeit, der Liebe, des Lebens und der Gefahr, gelegentlich aber auch als Schandfarbe. Da die Sinngebung der Farben uneinheitlich ist und sich mit den Zeiten wandelt, wäre es ein Fehler, die Farben des gelb-roten Mi-parti-Hansels allein auf eine einzige Bedeutung zurückführen zu wollen, zumal sich dessen genaue Entstehungszeit nicht bestimmen lässt. Ein Indiz für das ungefähre Alter und die Farbsymbolik könnte allerdings sein, dass Gelb bzw. Gold und Rot früher die Farben des Wolfacher Stadtwappens waren; als die Stadt 1806 zum Großherzogtum Baden kam, dessen Wappen ebenfalls gelb-rot ist, änderte sie ihre Farben in Gelb und Blau. |
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