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Basler Fasnachtslarven Glückseligkeit aus Papier für die „drey scheenschte Dääg“ von Jürgen Stoll Wohl über kein anderes mitteleuropäisches närrisches Brauchtum wie die Basler Fasnacht existiert eine derart umfangreiche Literatur. Akademische Auseinandersetzungen oder aber durchaus ernst gemeinte „Gebrauchsanleitungen“, etwa des Basler Fasnachts-Comités, stehen für Basler und Nichtbasler bereit zum Verständnis des Phänomens der Basler Fasnachtskultur. Relativ wenig allerdings erfährt der Interessierte über die Geschichte des Hauptutensils der Basler Fasnacht, der Larven, der Glückseligkeit aus Papier für die „drey scheenschte Dääg“. Dass es nicht nur auf diese drei Tage beschränkt blieb, werden wir hier noch erfahren. Überhaupt sei vorab festzuhalten, dass die Basler Fasnacht, so wie wir sie heute kennen, noch eine relativ junge Spielart der Narretei darstellt, welche durchaus auch im 19. Jahrhundert dem Prinzen Karneval gehuldigt hat. Ähnlichkeiten in der Historie der Verlarvung der Basler mit weiteren Narrenhochburgen, insbesondere im Dreiland, sind festzustellen. So diente den Basler Butzen im 15. Jahrhundert Ruß oder Asche, um ihr Gesicht zu verstecken. Erst etwa im 19. Jahrhundert kamen Larven aus Metall, Drahtgaze, gewachster Leinwand sowie aus Papier zum Einsatz. Die heute vermeintlich uralte Tradition der Basler Papierlarven ist das Ergebnis u. a. auch zunehmender Unzufriedenheit mit den bis in die 1930er-Jahre importierten Larven aus Italien, Frankreich sowie Thüringen. Insbesondere Manebach, Ohrdruf sowie Sonneberg im holzreichen, aber strukturell armen Thüringer Wald versorgten viele Jahrzehnte die Basler Fasnachter mit Tausenden dünner, kaschierter Papier- und Wachslarven. Sorgfältig gemalte „Künstlermasken in vornehm-origineller Typik“, verlebendigt durch reichen Haarbesatz, verließen Süd-thüringen als „Schweizer Modelle“. Im Hauptkatalog von 1925 bietet die Maskenfabrik Carl Hanf in Ohrdruf explizit noch eine Waggislarve an. Eine Waggislarve übrigens, die so gar nichts mehr mit der heute bekannten riesennasigen Ausformung der erstmals 1870/71 gesichteten Elsässer Figur gemein hat. Nach neuesten Erkenntnissen handelt es sich beim Waggis aber nicht, wie bisher angenommen, um den Bauern aus dem Wasgau, einer Mittelgebirgslandschaft in Rheinland-Pfalz, welche sich bis in die Vogesen fortsetzt. Eher stellt er eine soziale Randfigur dar, welche durch die Industrialisierung des Elsass „durch die Maschen des sozialen Netzes“ (Jürg-Peter Lienhard) gefallen ist. Die von Hanf angebotene Waggislarve entspricht eher der Abbildung des auf der kolorierten Ansichtskarte von 1909 zu erkennenden Waggis mit einer Alti Dante, in einer Fotomontage vor der Altstadtsilhouette. Die mit Basler Poststempel vom 28. November 1909 versehene Ansichtskarte an Herrn Schmid in Ravensburg offenbart nun, dass die Basler die Fasnacht durchaus auch schon vor der ansonsten üblichen närrischen drei Tage nach Aschermittwoch gefeiert hatten. So schreiben nämlich das Klärli und die Mama an den lieben Karl, dass sie am Montagabend auf den Maskenball bis vier Uhr gehen. Maskenbälle, organisiert etwa durch den Verein Quodlibet, oder die als pompös überlieferten Casino-Maskenbälle waren die Basler Tanzgelegenheit schlechthin. Hier bot sich natürlich auch die Möglichkeit des Intrigierens, Anhängern der schwäbisch-alemannischen Fasnacht besser bekannt als Strählen. Ältere Fasnachter kennen nun sicherlich noch die Strapazierfähigkeit einfacher Papierlarven, welche auch im süddeutschen Raum zur närrischen Lustbarkeit getragen wurden. Unzählige Larven verschwanden, nach durchtanzter Nacht ihrer Form beraubt, im heimischen Ofenloch. Das Haltbarkeitsdatum dürfte bei wenigen Stunden gelegen haben. Hier nun schlägt die Geburt der Basler Künstlerlarve. In einem Artikel vom 17. Februar 1936 bemängelt der Autor der „Basler Nachrichten“ die Beherrschung des Basler „Larvenmarktes“ durch die deutsche „Dutzendware“. Dieser Umstand hatte bereits 1925 die Basler Kunstkredit zu einem Wettbewerb unter Künstlern veranlasst, die neue Larven entwerfen sollten. Der Bildhauer Paul Wilde holte sich den ersten Preis mit seinem Leinwandentwurf des Änishänsli. Im gleichen Jahrzehnt begann aber auch der Siegeszug der von Künstlern entworfenen, kaschierten, das heißt aus Pappmaschee gefertigten Larven. Alphonse Magne und Adolf Tschudin waren die Wegbereiter der heutigen über die Basler Grenzen hinweg bekannten Larvenkunst. Zahlreiche Künstler, wie etwa die Gruppe 33, ein antifaschistischer Zusammenschluss von Basler Künstlern aus dem Jahre 1933, lieferten die Entwürfe. Gründungsmitglied der Künstlergruppe war u.a. der Maler Otto Abt, welcher wie seine Mitstreiter die Schweizer Kunstszene des 20. Jahrhunderts beeinflusste. Nach umfangreichen Versuchen der Herren Magne und Tschudin mit Werkstoffen wie Holzstoff, Ton, Kreide oder Leim zur Herstellung der Papierlarven, setzte sich letztlich sogenanntes Schrenzpapier aus Holzzellulose durch. Wenig närrisch diente dies als Abdeckpapier bei Malerarbeiten oder als Verpackungsmaterial. Bereits von der Papierqualität hängt das positive Ergebnis beim Larvenbau ab. Beim Kaschieren werden dann ca. spielkartengroße, in Leim getauchte Papierstreifen in aller Regel dreilagig aufgebracht. Die aus der Form gelöste Maske trocknet bei Zimmertemperatur. Eine Basler Künstlerlarve, bemalt mit Öl- oder Acrylfarbe zeichnet sich durch wenige markante Pinselstriche und -tupfer aus, die der Maske ihren ganz besonderen Ausdruck verleihen. Die Entwicklung des Güpfi, einer kaschierten Kopfschale, Mitte der 30er-Jahre, ermöglicht größere Dimensionen im Larvenbau und sorgt für angenehmen Tragekomfort. Überdimensionale Tambourmajorlarven prägen bis heute den Auftritt der Guggenmusiken bei der Cortège, dem Basler Fasnachtsumzug.
Schenkt man den Atelierbesitzern Glauben, so verweist der Ueli, eine Figur in Anlehnung an einen mittelalterlichen Hofnarren, in der Beliebtheitsskala den Waggis, die Alti Dante, den Harlekin oder den Dummpeeter als traditionelle Basler Fasnachtsfigur auf die hinteren Plätze. Der Jahresbedarf an Larven für die geschätzten 20000 aktiven Basler Fasnächtler wird heute gedeckt durch rund zehn Larvenateliers, welche mindestens ein halbes Jahr produzieren. Nach wie vor stellen Künstler ihre Kreativität in den Dienst der Narretei. Fiebrig wird es in den Ateliers, wenn es dem Jahresende zugeht und die Cliquen ihr Sujet gewählt haben, weshalb es für den interessierten Larvenfreund sicher sinnvoll ist, einen Besuch der Larvenateliers außerhalb der vorfastnächtlich stressigen Zeit zu planen. Empfehlenswert ist das seit 1976 bestehende Larvenatelier Charivari. Rund 3500 Basler Larven gehen jährlich durch die Hand des Mitinhabers und Künstlers Roman Peter, welcher dem Besucher auch gerne seine eigene Sammlung von Larven, nicht nur aus Papier, durch die Jahrhunderte zeigt. Lohnenswert ist sicherlich auch ein Abstecher in das Ortsmuseum in Binningen/Basel welches Basler Künstlerlarven aus den Jahren 1925 bis 1984 zeigt, die rund 50 der bekanntesten Basler Künstlerinnen und Künstler für die Firma Schudin kreiert haben.
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