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Wenn d’ Hanselschelle klinge ... Die Fasnet in Donaueschingen von Wolfgang Preyer Wenn sich am 6. Januar die Heiligen Drei Könige in Donaueschingen zurückgezogen haben und ’s Betziitliete, also das Abendläuten vorbei ist, gehen die Narrenräte und der Narrenvater mit Narrenvolk und Musik durch die Innenstadt zum Hanselbrunnen: Auf einem Sockel steht dort fast in Lebensgröße eine steinerne Narrenfigur, der Hansel. Aus den Häusern strömen die lebendigen Narren herbei, Hansel und Gretle mit Vereinsfahne und Fackeln, und gesellen sich dazu. Nachdem Zunftmeister und Narrenvater mit einem Prolog die Fasnet ausgerufen haben, erklingt zum ersten Mal seit Langem wieder der Narrenmarsch „Hans blieb do“, im wahrsten Sinne Musik in den Ohren eines jeden Narren. Nun wird es für einige Jungen und Mädchen aufregend: für die Junghansel und Junggretle, denn sie werden offi-ziell in die Narrenzunft Frohsinn 1853 Donaueschingen e.V. aufgenommen. Der Zeremonienmeister tauft sie mit Wasser aus dem Hanselbrunnen. An-schließend feiern die Narren ausgiebig in der alten Stadtmühle.
Die Wochen bis zur eigentlichen Fasnacht sind für die Narren lang. Zum Glück gibt es viel zu tun. Der Zunftball am Samstag vor dem Schmotzigen muss vorbereitet werden: das Fasnetsspiel mit Gesang und Tanz und den Auftritten von Ignaz und Severin – seit 1954 Bestandteil der Donaueschinger Fasnet. Die beiden mundstarken Gesellen werden beim Zunftball wieder in ständig wechselnden Kostümen die Lokalpolitik und das Stadtgeschehen des vergangenen Jahres glossieren. Die handwerklich Geschickten und Fantasievollen zimmern, basteln und malen in der Zeit bis zu den närrischen Tagen an den Motivwagen für den großen Umzug am Fasnetssonntag. Der Oberhansel und einige Helfer haben einen besonders reizvollen Part: Sie bereiten in den Schulen und Kindergärten den Narrensamen auf die Fasnacht vor. Der Brauchtumsunterricht gefällt den 400 bis 600 Kindergartenkindern und Schülern viel besser als Spielen, Mathe oder Englisch. Sie erfahren jede Menge über Hansel und Co und was es mit der Fastnacht so auf sich hat. Es glich einer Pionierarbeit, als die Narrenzunft Frohsinn 1853 Donaueschingen e.V. 1964 als erste Zunft weit und breit den Brauchtumsunterricht einführte. Heute sind die Donaueschinger stolz auf diese Tradition. Und wenn schließlich zwei Kinder als Hansel und als Gretle eingekleidet werden, sind die Schülerinnen und Schüler vor Begeisterung kaum zu halten. Fröhliche Finanzsitzung Während sich die Kinder im Brauchtumsunterricht auf die Fasnet einstimmen, erwerben sich die Erwachsenen bei Vereinsbällen, Fasnethocks und Sitzungen die nötige Fastnachtskondition. Was „Finanzsitzung“ heißt und nach Haushaltsplan, Feilschen und Sparen klingt, lässt sich feucht-fröhlich an: Alle Sponsoren, Politiker, Gemeinderäte und Vertreter des Fürstenhauses werden hierzu ins Zunftlokal „Hirschen“ eingeladen. Bei Musik, Glossen von Ignaz und Severin, Essen und Trinken wird den Vertretern der Zunft so manches Kuvert übergeben (wenn nicht schon eine Gutschrift aufs Zunftkonto gebucht wurde) – die Fasnet ist finanziell wieder gesichert. Die Großzügigkeit der Spender wird bis weit in den Morgen gefeiert. Bei der internen Blauhemdsitzung am Dienstag vor dem Schmotzigen sind Hansel und Gretle lustig und fröhlich unter sich, bei Reden, Glossen und Fasnetsliedle. Die angemessene Kleidung für diese „Sitzung“ ist das blaue Baaremer Fuhrmannshemd.
am Zieschdig isch ’s vorbei, ’s giit no Liit i iisre Stadt, die monet, des sei nei. Endlich ist der Schmotzige Dunnschdig da. Die Fasnet beginnt morgens um sechs Uhr – nicht zu überhören – mit dem Wecken durch den Fanfarenzug, der durch die Stadt zieht. Die Hansel und die Gretle, die hoppet us em Nescht, denn am Schmotzge Dunnschdig wird de Hanselbrunne g’wäscht. Ignaz, Severin und die Narrenpolizei, eine Einzelfigur in dunkelblauer Uniform, mit Schulterklappen, Schelle, Laterne und Offizierssäbel sowie eine große Schar Hansel befreien nun Schüler, Kindergartenkinder, Chefs und Angestellte verschiedener Ämter. Narren bevölkern die Innenstadt. Sie ziehen mit den befreiten Kindern und Jugendlichen zum Rathaus, um den Oberbürgermeister abzusetzen und sich zu einem Umtrunk einladen zu lassen. Der Rathausschlüssel bleibt wohlverwahrt bis zum Aschermittwoch in den Händen von Narrenrat, Narrenpolizei, Ignaz und Severin. Ernte des Fasnetsunterrichts Um 14 Uhr beginnt ein riesiger Kinderumzug durch die Stadt zum Hanselbrunnen: Über tausend Kinder in wunderschönen Kostümen, von Eltern, Lehrern und Erzieherinnen angefertigt, sind zu bewundern. Jede Schulklasse oder Kindergartengruppe – mit dabei sind auch die Kinder der Französischen Schule – hat ihr eigenes Motto. Die Hansel und Gretle folgen dem Zug der Kinder. Am Brunnen stellt der Zeremonienmeister die einzelnen Kindergruppen vor, die Mäuse und Bienen, Kaminfeger und Indianer. Dann ist es ganz feierlich: Die Kinder und das gesamte Narrenvolk werden vereidigt. Der Narrenvater sagt Zeile für Zeile vor und der Narrensamen spricht nach: Mag alles biegen oder brechen, wir geloben und versprechen, jetzt und immer das aufs Neu, treu zu sein der Narretei! Nun muss noch der steinerne Hansel des Narrenbrunnens vom Staub des Jahres befreit werden: Ein Hansel bürs-tet ihn sorgfältig und Gretle trocknet ihn ab. Und weiter ziehen die Kinder vor die 1787 von den Fürsten zu Fürstenberg errichtete Villa Dolly. Dort erhält der Narrensamen Süßigkeiten – das Unternehmen Biedermann Motech, dem die Villa heute gehört, führt die gute Tradition fort, die die fürstliche Familie begonnen hat. Nachdem sich der Umzug aufgelöst hat, laufen die Hansel und Gretle mit vielen Kindern im Schlepptau durch die Stadt. Der Tross übt weiter sein Heische- und Rügerecht aus und singt vor den Geschäften Hanselliedle. Metzger Hauger wird mit dem Vers beglückt: Alle Metzger müssen sterben, nur der Metzger Hauger nicht, Gott hat ihm die Kraft gegeben, dass er alle Sauen sticht. Narro! Die Kinder freuen sich über die Würste, die ihnen der Metzger überreicht. Beim Bäcker werden sie mit Wecken, in anderen Geschäften mit Süßigkeiten und Getränken beschenkt. Die Hansel bekommen vielleicht ein wärmendes Schnäps-chen, die Gretle einen Kaffee. Überall in der Stadt herrscht buntes Fasnetstreiben. Die erwachsenen Narren strählen in den Lokalen bis in den Morgen. Am Freitag übernehmen die Stadt- und die Schellenberghexen die Regie. Nach einem Fackelzug durch die Innenstadt führen sie auf dem alten Festhallenplatz schaurige Tänze um ein großes Feuer vor. Besonders Jugendliche finden sich in den Donauhallen zum Hexenball mit Guggenmusik zusammen.
Ritt auf dem Schwan
Der Narrenvater ist eine Einzelfigur, die sich bei ihrer Wahl übrigens einer mitunter schmerzhaften Prozedur stellen musste. In Donaueschingen ist es üblich, dass am Zunftball zwei in Jutesäcken verpackte Kandidaten auf die Bühne gebracht werden. Die Narrenräte stimmen ab, indem jeder einem der beiden verhüllten Männer einen Stockhieb versetzt, garniert mit einem Sprüchle. Der Kandidat, dessen Hintern die meis-ten Stockhiebe ertragen musste, ist als Narrenvater auf Lebenszeit gewählt. Beim großen Umzug darf er sich vom Volk huldigen lassen und in einem Schwan fahren, der von sechs Pferden gezogen wird.
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